Dez. 19 2016
Photovoltaik für Alle?!
Der aktuelle Normentwurf für Stecker-Solaranlagen sieht massive Behinderungen für den Betrieb von Photovoltaik-Kleinstanlagen vor. Bis zum 26.12.2016 konnte Einspruch eingelegt werden:
http://www.pvplug.de/einspruchsvorlage
Stecker-Solaranlagen für Balkon oder Terasse werden immer beliebter. Mehr als 20.000 davon sind hierzulande schon in Betrieb [1]. Diese PV-Anlagen mit geringer Leistung werden einfach per Schukostecker an das eigene Stromnetz angeschlossen. Und schon läuft der eigene Stromzähler etwas langsamer. Jedenfalls wenn die Sonne scheint.
Auch jemand vom WiLaDo hat seit über einem Jahr so eine Anlage in Betrieb. Die Anlage besteht aus 2 kleinen Solarmodulen und einem passenden Wechselrichter, sowie einem Montagegestell. Bei einer Nennleistung von 240 W hat diese Anlage innerhalb eines Jahres – ohne Störungen oder sonstige Probleme – 161,5 kWh Strom erzeugt. Das ist nicht viel, aber Kleinvieh macht auch Mist. Die Verbraucherzentrale NRW schätzt das Potential solcher Anlagen für Deutschland auf etwa vier Gigawatt [2].
In € gerechnet lohnt sich so eine Kleinstanlage kaum: Kosten von 570 € (davon 450 € Anlage, 90 € Hilfe bei Dachmontage, 30 € Einspeisezähler) stehen jährliche Ersparnisse auf der Stromrechnung von ca. 43 € gegenüber. Während die finanzielle Amortisation also ca. 13 Jahre dauern wird, geht die Umweltbilanz nach ein bis zwei Betriebsjahren ins Plus [3, 4]. Darüber hinaus haben wir im WiLaDo die Erfahrung gemacht, dass man im Lichte der eigenen Stromproduktion sensibler für den eigenen Stromverbrauch wird. Man kann sich handgreiflicher vorstellen, wieviel Aufwand für die Befriedigung des täglichen Stromverbrauchs nötig ist, und versteht, dass Stromsparen die allerbeste Energiequelle ist.
Technisch sind diese Kleinstanlagen eine einfache, sichere und übersichtliche Angelegenheit. Aufgrund fehlender Normen sind solche Anlagen rechtlich allerdings noch in einem Graubereich angesiedelt. Viele Netzbetreiber versuchen den Anschluss von Stecker-Solaranlagen zu untersagen. So auch der größte Verteilnetz-Betreiber Westnetz, eine Innogy-Tochter (bis vor kurzem RWE) [5]. Aber das soll sich ändern. Im letzten Sommer wurde der Entwurf für eine Überarbeitung der entsprechenden Norm (DIN VDE 0100-551-1) vorgestellt. Leider geht der Entwurf in eine vollkommen falsche Richtung. Sollte der Normentwurf unverändert gültig werden, ist zukünftig z.B. ein separater Einspeisestromkreis vorgeschrieben. Das würde die Inbetriebnahme von Stecker-Solaranlagen erheblich erschweren. Der Elektriker müsste dann vorher 2mal vorbei kommen.
Das Europäische Parlament hat schon 2013 die Mitgliedstaaten aufgefordert, die nationalen Vorschriften zur Strom- und Wärmeerzeugung in kleinem und kleinstem Maßstab so zu überarbeiten, dass dem Einsatz von Kleinstanlagen in Haushalten keine rechtlichen Hemmnisse entgegenstehen. Und so steht es auch in Artikel 7 der EU Richtlinie 2009/72/EG. Die Niederlande haben diese Richtlinie schon umgesetzt.
Dort gibt es eine Bagatellgrenze von 500 W / 2,25 A für die Einspeisung von PV-Strom in Endstromkreise. 200.000 NiederländerInnen haben sich bisher selbst kleine Anlagen installiert, ohne dass es zu Zwischenfällen gekommen wäre. Bürokratieabbau und sachgerechte Sicherheitsregeln schaffen dort ein neues Potential für den Zubau erneuerbarer Energien.
Wenn das hier zuständige Normungsgremium DKE [6], abweichend von der europäischen Normung, einen eigenen Einspeisestromkreis für die Geräte vorschreiben will, stellt dies eine in Europa einzigartige Hürde für den einfachen Betrieb kleiner Solaranlagen dar. Auf wessen Betreiben hin so etwas im Normentwurf steht ist nicht schwer zu erraten.
In Normungsarbeitskreisen kann im Prinzip jeder mitmachen. Aber es sind üblicherweise schon die im jeweiligen Fall interessierten Kreise, die sich beteiligen. Und zwar aus klaren wirtschaftlichen Interessen. Aber auch die Photovoltaik-Freunde haben ihre Organisationen, z.B. die DGS [7]. Im November lud die DKE die interessierten Organisationen zu einem Workshop ein, um die Norm zu diskutieren. [8]
Bei der DGS gibt es seit letztem Sommer die Arbeitsgruppe PVplug, die auf einer Webseite ausführlich über den problematischen Normentwurf informiert und einen alternativen Normentwurf vorschlägt. Darüber hinaus gibt es ein Webformular um auf einfache Weise Einspruch gegen den Normentwurf einzulegen. Denn im Prinzip kann das jeder machen. In diesem Fall allerdings nur noch bis zum 26.12.2016: http://www.pvplug.de/einspruchsvorlage
1 – http://www.pvplug.de/positionspapier/
2 – http://www.verbraucherzentrale.nrw/media244771A.pdf
3 – http://nachhaltigkeit-info.de/klar-bewiesen-die-oeko-vorteile-der-photovoltaik/
4 – http://www.ask-eu.de/default.asp?Menue=20&ArtikelPPV=24719
5 – http://blog.greenpeace-energy.de/magazin/unternehmens-news/punktsieg-fuer-simon/
6 – https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Kommission_Elektrotechnik_Elektronik_Informationstechnik
7 – https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Gesellschaft_f%C3%BCr_Sonnenenergie
8 – http://www.pv-magazine.de/nachrichten/details/beitrag/dgs–auftakt-des-runden-tisches-zu-stecker-solar-gerten-war-erfolg_100025311/
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